Tricks und Sprünge mit Skateboards sind auf den Grazer Plätzen wie hier auf dem Kaiser-Josef-Platz mittlerweile verboten.

Foto: Alexander Danner

Graz könnte – so ist den Andeutungen des Bürgermeisters Siegfried Nagl (ÖVP) zu entnehmen – nicht Anfang 2022, sondern bereits heuer im Herbst ein neues Stadtparlament wählen. Die Grazer FPÖ hat jedenfalls schon ein erstes Wahlkampfthema vorbereitet. Die Sache ist ihr sogar eine eigene Homepage wert.

Unter skaterlaerm.at wettern die Freiheitlichen gegen die junge Skaterszene, die in der Corona-Zeit die freien Plätze, vor allem jene der Märkte, für ihren Sport entdeckt hat. In den letzten Monaten sind auf den Plätzen, die bis Mittag den Bauernmärkten vorbehalten sind, quirlige Arenen entstanden. Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene proben die Bewegung mit den fahrbaren Brettln, einige Versierte präsentieren den Zuschauern, die sich – versorgt mit Take-away-Getränken – auf nun leeren Marktbuden niedergelassen haben, ihre Tricks und akrobatischen Kunststücke.

Die FPÖ versucht sich jetzt als Anwältin angeblich geplagter Anrainer und macht seit Wochen auch mit einer Unterschriftenaktion dagegen mobil. Auf skaterlaerm.at polemisiert die Partei: "Durch Skater wird unsere Lebensqualität beeinträchtigt. Unser Anliegen ist der Schutz der Bevölkerung. Unerträgliche Lärmbelästigung durch das ständige Aufknallen der Boards."

Schwammiges Gesetz

Vor einigen Tagen hat sich nun ein Jurist gefunden, ein Anwohner des Kaiser-Josef-Platzes, der das FPÖ-Anliegen nun per amtliche Beschwerde aktenkundig gemacht hat. Daraufhin hat die Stadt unter der Federführung des Bürgermeisters einen Weg gesucht, um dem Druck des Anrainers und auch der FPÖ nachzukommen. Es wurde im Ministerium der grünen Ministerin Leonore Gewessler nachgefragt, wie Skaten denn so mit der Straßenverkehrsordnung zu vereinen sei. Die Auskunft: Die Sachlage sei nicht ganz eindeutig. Fahren ist erlaubt, springen eher nicht. Da geht’s darum, was gilt als Gehsteig, was als Fahrbahn. Die schwammige Gesetzesformulierung kann offenbar so oder so ausgelegt werden. Die Vollziehung liege auf alle Fälle bei den Ländern, heißt es im Ministerium. Bürgermeister Nagl und sein FPÖ-Vize Mario Eustacchio interpretierten das Gesetz in Richtung Verbot: Auf den Plätzen darf nun nicht mehr geskatet werden, die Polizei habe dies zu kontrollieren.

Christoph Fellner, leidenschaftlicher Skater und Musiker, ist empört: "Graz fährt die Rad-Krallen aus und zeigt wieder einmal keinerlei Verständnis und Feingespür für Jugendliche und Jugendkultur, und das während des Lockdowns und im Grazer Sportjahr 2021", schreibt Christoph Fellner in einer Mail an den STANDARD. Er ergänzt: "Es klingt absurd und wie aus einer verstaubten Zeit. Die Straßenverkehrsordnung wird nun willkürlich ausgelegt und so interpretiert, dass zwar Skateboard-Fahren nicht verboten ist, doch in der Logik altbackener und Jugendlichen nicht gerade wohlgesonnener Politiker weitergedacht, auch weitere Tricks, wo die Bodenhaftung verloren geht und die Räder den Boden nicht mehr berühren, sozusagen abheben, sind ab sofort verboten. Diese willkürliche Auslegung der Straßenverkehrsordnung ist ein Armutszeugnis der Erwachsenen der Jugend gegenüber".

"Ende des Streetskatens"

Skaten sei nicht nur ein Sport, "sondern auch identitätsstiftend, ein Akt der Selbstermächtigung und der Zurückeroberung des urbanen Raumes, wo konsumfreie Orte immer weiter verdrängt werden", argumentiert Fellner. Skater-Kollege Nik Hermann fügt hinzu: "Streetskaten wird jetzt quasi kriminalisiert. Und das in dem Jahr, in dem Skaten erstmals olympische Disziplin ist. Und mitten in eine Pandemie hinein, wo Bewegungs- und Kontaktmangel der vom Homeschooling geplagten Jugend auch von Politikern beklagt wird. Wenn das in ganz Österreich Schule macht, ist das das Ende des Streetskatens in Österreich."

Dass die Sache von ÖVP und FPÖ nun so gedreht werde, dass es quasi eine Verordnung der grünen Ministerin ist, die zu diesem Verbot in Graz geführt hat, sei "empörend", sagt Grünen-Stadträtin Judith Schwentner. "Man hätte die sehr unklare Rechtslage natürlich auch anders auslegen können, wenn man gewollt hätte, und das Skaten weiter erlauben können."

In der Zwischenzeit haben Bürgermeister Nagl und Vizestadtchef Eustacchio schon Pläne für die nun heimatlosen Skater: Sie sollen vom Grazer Stadtzentrum weg an den Stadtrand in abgeschlossene Skaterareale sozusagen "umgesiedelt" werden. (Walter Müller, 6.5.2021)